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raus folgt nicht unweigerlich, dass sie ein
und dasselbe Wesen sind. Der Mann, der
ihnen zu Hilfe gekommen ist, könnte jeder-
mann gewesen sein. Ein Wilderer vielleicht.
Oder ein Wildhüter.
 Er war unbewaffnet , wandte Cecily ein.
 Und er hatte keine Jagdhunde.
 Trotzdem. Es muss eine logische
Erklärung geben. Wenn er ein Hirsch war,
der sich in einen Menschen verwandelt hat,
wo hat er dann seine Kleidung her? Hat er
sie irgendwo im Unterholz versteckt?
Portia fragte:  Wollen Sie Cecily etwa eine
Lügnerin nennen?
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 Nein, gar nicht , erwiderte Brooke ruhig.
 Aber nach einem erschreckenden Erlebnis,
wie sie es hatte, wäre es völlig verständlich,
wenn sie durcheinander wäre, überdreht & 
 Ich bin nicht übergeschnappt , wider-
sprach Cecily und ließ ihr Buttermesser klap-
pernd auf ihren Teller fallen.  Ich weiß, was
ich gesehen habe. Gewöhnlich gehöre ich
nicht zu den Frauen, die hysterisch werden
oder sich Sachen einbilden.
 Sind Sie sicher? Luke nippte von seinem
Kaffee.  Sind Sie ganz sicher, dass Sie nicht
genau diese Sorte Frau sind? Der Typ, der
romantischen Träumen nachhängt und sich
jahrelang daran klammert, hofft, dass sie
eines Tages wahr werden?
Oh, wenn Blicke einen Mann zerschneiden
könnten, Luke wäre fein säuberlich filetiert
worden. Aber ihm war Cecilys Zorn lieber als
ihre Gleichgültigkeit, und zum ersten Mal in
neun Tagen war es das, was er an ihr wahr-
nahm. Was auch immer  oder wer auch
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immer  ihr im Wald begegnet war, ob nun
Mann, Tier oder ein Zwischending  es hatte
ihre Phantasie gefesselt und ihre Loyalität
erworben. Schätze, die bis vor Kurzem 
wenn auch unverdientermaßen  ihm gehört
hatten.
Aber jetzt nicht mehr. Wie sie ihre
Geschichte so entschieden verteidigte, das
lebhafte Funkeln in ihren Augen und die
kleidsame Röte, die sich über ihren Hals aus-
breitete & Luke spürte jedes einzelne dieser
Zeichen wie einen Stich in seinen Magen.
Sie entliebte sich von ihm & und zwar
schnell.
 Ich kenne Cecily mein ganzes Leben ,
sagte Denny vom Kopf des Tisches.  Sie ist
eine intelligente Frau, sowohl vernünftig als
auch erfinderisch. Außerdem ist sie mein
Gast, und ich werde nicht zulassen, dass ihre
Aufrichtigkeit schon am Frühstückstisch in
Zweifel gezogen wird. Er stützte einen Un-
terarm auf den Tisch und beugte sich vor,
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fixierte Luke mit einem für den sonst stets
gutmütigen und freundlichen Denny über-
raschend strengen Blick.
Luke nahm das mit einem leichten Nicken
zur Kenntnis. Wenn er sie schon diesem
Mann überlassen musste, dann war es im-
merhin ein gewisser Trost zu sehen, dass
Denny imstande war, sie zu beschützen.
Wenigstens im Frühstücksraum, wenn schon
nicht in einem verfluchten Wald.
Denny wandte sich an Cecily und legte ihr
eine Hand auf den Arm.  Wenn du be-
hauptest, du seiest letzte Nacht einem Wer-
hirschen begegnet, dann glaube ich dir.
Bedingungslos.
 Danke, Denny. Sie schenkte ihm ein in-
niges Lächeln.
Wie süß. Ehrlich gesagt, Luke drehte sich
der Magen um.
Brookes gemurmelten Protest nicht weiter
beachtend, nahm sich Luke ein Brötchen
vom Teller seines Nachbarn und kaute
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nachdenklich. Ich sollte vor Freude sprin-
gen, überlegte er, oder mindestens Er-
leichterung fühlen. Sie sollte ihn vergessen,
sie sollte Denny heiraten, und die beiden
sollten widerlich glücklich werden.
Aber Luke konnte nicht so großmütig sein.
Vier Jahre lang hatte sie an der Erinnerung
an ihren ersten unschuldigen Kuss festgehal-
ten  und er ebenfalls. Und es gefiel ihm zu
glauben, dass gleichgültig, was in der Zukun-
ft geschah,  selbst wenn sie Denny heirat-
ete, selbst wenn ein Ozean zwischen ihnen
lag  Cecilys und seine Gedanken stets zu
demselben Ort zurückwandern würden: Die
ausgeblichene Holzbank unter dem Rosen-
bogen im Seitengarten von Swinford Manor.
Er wollte nicht glauben, dass sie diese Nacht
vergessen konnte. Aber selbst jetzt noch, als
sie die nächste Toastecke mit Butter bestrich,
konnte er spüren, dass ihre Gedanken absch-
weiften & und nicht zu dem Kuss auf der
Gartenbank. Sie war mitten im Wald,
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zusammen mit dem verflixten weißen
Hirsch.
Verdammt, es war einfach nicht richtig.
Wenn sie nachts im Bett lag, sollte sie nicht
wilde Eber, die sie angriffen, und wüste
Kämpfe sehen. Sie sollte von dem Duft von
nachtblühendem Jasmin und dem Gefühl
von Organza und den entfernten Klängen
eines Orchesters, das eine Sarabande spielte,
träumen. Wie er, in all den eisigen feuchten
Nächten. Wie er es tun würde, in all den
bitteren Jahren, die ihm noch bevorstanden.
Wie hatte sie ihn letzte Nacht genannt?
Einen arroganten, unerträglichen Schuft. Ja,
das war er. Er wollte, dass Cecily sich auf
ewig nach ihm verzehrte, davon träumte, ihn
zähmen zu können. Dass sie sich nach der
zärtlichen Liebe sehnte, von der er wusste, er
könnte sie ihr nie und nimmer geben. Er
wollte, dass sie sich an den alten Luke erin-
nerte, statt von irgendeinem wilden
Geschöpf zu phantasieren. Und wenn dieser
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 Werhirsch die Erinnerung an ihren Kuss
mit seiner grausigen mitternächtlichen Ret-
tungsaktion vertrieben hatte &
Luke würde es einfach besser machen
müssen, Cecily eine neue Erinnerung geben,
die ihre Gedanken beschäftigte. Eine Er-
fahrung, die sie nie vergaß.
Denny spielte nicht Klavier. Niemand in
diesem Hause tat das. Doch als sich Cecily
am selben Nachmittag an das Instrument
setzte, stellte sie fest, dass es frisch geputzt
und perfekt gestimmt war. Das musste er für
sie getan haben, im Vorfeld ihres Besuches.
Denny war immer so umsichtig.
Ihre Finger glitten über die Tasten,
entlockten dem Instrument eine ernste
Melodie.
 Ist das der Trauermarsch für mich?
Lukes tiefe Stimme erklang von irgendwo
hinter ihr.
Sie erstarrte bis in die Fingerspitzen.
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 Hör meinetwegen nicht auf , sagte er.
 Melancholie steht dir so gut.
Sie schloss die Augen und holte tief und
langsam Luft. Wenn er sie aufziehen oder är-
gern wollte, bitte & dieses Spielchen konnten
sie beide spielen. Ihre Finger begannen ein
fröhliches Volkslied, eines, von dem sie
wusste, er würde es sogleich erkennen. Sie
hatten es in jenem Sommer gesungen, im-
mer und immer wieder geübt in Vorbereit-
ung auf die Farce eines Musikabends auf
Lady Westfalls Landsitz. Das Vorspiel kon-
nte sie noch mühelos auswendig, kümmerte
sich nicht darum, dass sie dadurch verriet,
wie oft sie es in den vergangenen Jahren
geübt hatte  aus sentimentaler Narretei
heraus. Und hier kam sein Einsatz, ein fröh-
licher Triller, der seinen Bass ankündigte.
Sie zog die Noten in die Länge, sprach eine
musikalische Herausforderung aus. Würde
er seinen Part singen? Er hatte immer eine
so schöne Stimme besessen, früher.
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