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zwischen Offizieren und Soldaten, wurden aber rasch und ohne nachfolgende Disziplinarstrafen
wieder beigelegt; keiner trug dem anderen etwas nach - es war, als sei nichts gewesen.
Der Krieg ging zu Ende, der endlos lange Krieg, der ihr Land verwüstet hatte; für sie war er schon
vorbei; jetzt kam die große Atempause, denn die harte Zeit, die folgen sollte, hatte noch nicht
begonnen, und das verderbliche Wort vom kalten Krieg war noch nicht gefallen. Sie lebten fröhlich,
traurig und erschöpft - begierig auf Speise und Trank, wie die Gefährten des Odysseus, nachdem sie
ihre Schiffe an Land gezogen hatten. Aber unter der rauhen und verwahrlosten Oberfläche, in jedem
der derben und offenen Gesichter erkannte man die guten Soldaten der Roten Armee, die tapferen
Männer des alten und neuen Rußland; sanft im Frieden und schrecklich im Krieg, mutig aus einer
inneren Disziplin heraus, die ihnen aus der Eintracht, aus der Liebe zueinander und zu ihrem
Vaterland erwuchs - und die stärker war als die mechanische und knechtische Disziplin der
Deutschen, eben darum, weil innere Kräfte sie speisten. Wenn man unter ihnen lebte, verstand man
leicht, warum schließlich sie und nicht die anderen die Oberhand gewonnen hatten.
In einer Baracke waren nur Italiener untergebracht, beinahe ausschließlich Zivilarbeiter, die mehr
oder weniger freiwillig nach Deutschland gekommen waren - Maurer und Bergarbeiter, ruhige
Leute mittleren Alters, anspruchslos, arbeitsam und freundlich.
Der für die Italiener zuständige Lagerführer, bei dem ich mich »melden« mußte, war ganz anders
als sie. Herr Rovi, von Beruf Buchhalter, weder durch Wahl von unten noch durch Einsetzung von
seiten der Russen zum Lagerführer erhoben, hatte sich selbst dazu gemacht; seine geistigen und
moralischen Qualitäten waren zwar eher ärmlich, aber er besaß in hohem Maße eine Tugend, die
überall unerläßlich ist zur Eroberung von Machtpositionen: die Liebe zur Macht selbst.
Das Verhalten eines Menschen mitanzusehen, der ohne Vernunft handelt, nur den eigenen,
tiefverwurzelten Impulsen gehorchend, ist ein äußerst interessantes Schauspiel, ähnlich dem, das
sich einem Naturforscher bietet, wenn er ein mit komplizierten Instinkten ausgestattetes Tier
beobachtet. Rovi hatte sich mit der atavistischen Spontaneität einer Spinne, die ihr Netz webt, sein
Amt gesichert - und, wie die Spinne nicht ohne Netz, so konnte Rovi nicht ohne Amt sein; sofort
hatte er angefangen, sein Netz zu spinnen. Er war stockdumm, konnte weder ein Wort Deutsch
noch Russisch, hatte sich aber vom ersten Tag an die Dienste eines Dolmetschers gesichert, sich
beim sowjetischen Kommando mit großem Zeremoniell als bevollmächtigter Vertreter der
italienischen Interessen vorgestellt und eine Schreibstube mit Formularen (handgeschrieben, in
verschnörkelter Schönschrift), Stempeln, verschiedenen Farbstiften und einem Hauptbuch
eingerichtet; obwohl er keineswegs Oberst, nicht einmal Soldat war, hatte er ein auffälliges Schild
an seiner Tür angebracht »Italienisches Kommando - Oberst Rovi«; er hatte einen kleinen Hof von
Handlangern, Schreibern, Sakristanen, Spionen, Boten und Aufschneidern um sich versammelt, die
er in Naturalien aus unterschlagenen Rationen entlohnte und von jeder gemeinnützigen Arbeit
befreite. Wie immer, waren seine Günstlinge schlimmer als er und sorgten (auch - was selten nötig
war - mit Gewalt) für die Ausführung seiner Befehle, dienten ihm, holten Informationen ein und
umgaben ihn mit Schmeicheleien.
Mit überraschender Klarsicht, die einem hochkomplizierten, geheimnisvollen Denkvorgang
entsprach, hatte er von dem Moment an, als er mit Uniformierten zu tun bekam, die Notwendigkeit,
ja Unerläßlichkeit einer Uniform erkannt. Reichlich theatralisch und nicht ohne Phantasie hatte er
sie sich zusammengestellt: ein Paar sowjetische Reitstiefel, eine polnische Eisenbahnermütze, -
jacke und Hose, die aus grobem Webstoff zu sein schienen (und es vielleicht auch waren) und die er
irgendwo aufgetrieben hatte. Er ließ sich Spiegel auf den Kragen nähen, Goldschnüre an die Mütze,
Streifen und Rangabzeichen auf die Ärmel, und die Brust bedeckten Medaillen.
Übrigens war er kein Tyrann, auch kein schlechter Verwalter; er besaß Menschenverstand genug,
Schikanen, Ausbeutereien und Mißbräuche in gebührenden Grenzen zu halten, und für den
Papierkrieg bewies er eine unleugbare Begabung. Da für die Russen der Papierkrieg eine
merkwürdige Faszination enthielt (sein rationaler Sinn ihnen jedoch undurchsichtig blieb) und sie
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der Bürokratie offenbar mit jener platonischen Liebe ergeben waren, die keinen Besitz kennt noch
wünscht, wurde Rovi im Umkreis der Kommandantur wohlwollend toleriert, wenn nicht geschätzt.
Außerdem verband ihn mit Hauptmann Egorov eine paradoxe Sympathie, wie sie zwischen
Misanthropen zu finden ist: beide waren sie traurige, gedrückte, mürrische Individuen, die
magenkrank waren und der allgemeinen Euphorie die Einsamkeit vorzogen.
Im Lager Bogucice traf ich Leonardo, der inzwischen wieder als Arzt tätig und von einer wenig
einträglichen, dafür um so zahlreicheren Klientel umlagert war. Er war auch in Buna gewesen, aber
schon vor einigen Wochen auf weniger umständliche Weise nach Kattowitz gekommen. Unter den
Häftlingen in Buna hatte es zu viele Ärzte gegeben, und nur sehr wenige (eigentlich nur die, die
Deutsch konnten oder besonders geschickt in der Kunst des Überlebens waren) hatten es erreicht,
von dem SS-Chefarzt anerkannt zu werden. Leonardo war keinerlei Privileg zuteil geworden; er
mußte körperlich sehr hart arbeiten und überstand das Jahr im Lager unter größter Gefährdung. Er
war den Strapazen und der Kälte nicht gewachsen und kam immer wieder mit Ödemen an den
Füßen, infizierten Wunden oder aus allgemeiner Schwäche in den Krankenbau. Dreimal hatte man
ihn bei Selektionen im Krankenbau zum Tod durch Vergasen bestimmt, dreimal war er von
solidarisch gesinnten Kollegen gerettet worden. Er hatte jedoch nicht nur Glück, sondern besaß eine [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]

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